Die Brandkatastrophe von 1855
Durch einen Großbrand wurden am 16. Mai 1855 in Renningen 22 Wohnhäuser, 24 Scheunen und etliche 20 Nebengebäude eingeäschert. Es wurden 41 Familien schwer geschädigt. Der Brand ist in der Scheune des Schultheißen Gasteyger (gegenüber der Kreissparkasse in der Hauptstraße) ausgebrochen und hat in den eng zusammengebauten Häusern rasch um sich gegriffen. Auch das Schafhaus der Gemeinde und die Zehntscheuer des Hospitals Stuttgart im Zehnthof sind verbrannt. Im Kirchenbuch der Kirchengemeinde Renningen wurden diese Stunden in der Ortschronik festgehalten und bis ins Detail geschildert. Hier ein kleiner Auszug:
.Es war am Abend des 16. Mai 1855 um halb zehn, kaum nachdem sich die Einwohnerschaft zur Ruhe begeben hatte, erscholl plötzlich der Feuerruf durch die Straßen von Renningen. Eine Viertelstunde danach sahen die Herbeieilenden mit Schrecken die Scheuer des Schultheißen Gasteyger in hellen Flammen stehen und ehe man eigentliche Hilfe schaffen konnte, hatte sich schon die gegenüberliegende Scheune des Sattlers Friedrich Wilhelm Baither entzündet. Die Nacht war sternenklar und der Luftzug strich mäßig von Südwest nach Nordost, in welcher Richtung sich auch sofort auf beiden Seiten der Straße das Feuer ausbreitete. Wer mag die Verwirrung beschreiben, welche wohl eine Stunde lang unter den Einwohnern herrschte und alle geregelte Tätigkeit zur Bekämpfung des Großfeuers lähmte! Der Ortsvorsteher mit seiner Familie vertrieben - seine ganze Nachbarschaft auf Rettung der Habseligkeiten bedacht - keine Organisation der Feuerwehr, kein Wasser - so ging einige Zeit unter wachsender Gefahr hin. Genau in der Mitte des Ortes war die größte Feuersbrunst, wo das verzehrende Element wütete und bei der zusammengedrängten Bauart seine ganze Zerstörungskraft entfalten konnte. Zwischen 23.00 Uhr und Mitternacht erschien der Oberamtmann Drescher aus Leonberg, ein kräftiger und energischer Mann, dessen Autorität bei der anwachsenden Versammlung sehr notwendig war. Mannschaft in Massen, Bauernspritzen im Überfluß, auch nicht wenig Wasser vom Rankbach und aus allen Brunnen - aber wenig Erfolg und schwacher Widerstand gegen ein Flammenmeer, dem man an manchen Stellen gar nicht beikommen konnte. Bedingt durch die anhaltende trockene Witterung wurden die Holzvorräte vor den Häusern und in den Hütten, sowie die noch übrigen Stroh- und Futtervorräte gleichsam zubereitet, so daß die luftigen Scheunen, wenn sie einmal vom Feuer angegriffen waren, in wenigen Minuten lichterloh brannten und an eine Rettung der angrenzenden Wohnungen nicht mehr zu denken war.
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Viele Einwohner wurden vom Feuer so schnell überfallen, daß sie von ihren Habseligkeiten nur wenig retten konnten. Trotz aller Anstrengungen der Löschmannschaften von der ganzen Umgebung hat in dieser Schreckensnacht das Feuer bis zum Anbruch des Himmelfahrtstages fortgewütet. So ward der Himmelfahrtstag des Jahres 1855, welcher nun anbrach, zu einem Tag der Klage und des jammervollsten Elends für diejenigen, welche kein Obdach mehr hatten. Der Minister des Innern, Freiherr von Linden, kommt nach Renningen und bespricht sich mit dem Gemeinschaftlichen Amt über die Maßregeln zur Unterstützung der Armen. Der König stiftet 300 fl die Königin 150 fl, die Prinzessin Augusta 100 fl, sowie der Prinz Friedrich 50 fl. An milden Beiträgen gehen insgesamt 5.934 fl ein. Beratungen über den Wiederaufbau finden am 13. Juni 1855 in Gegenwart des Oberamtmannes Drescher und des Brandinspektors Nieffer aus Ludwigsburg statt. Der für die Neubebauung der Brandstätte entworfene Plan schließt sich im wesentlichen an den schon im Jahre 1841 festgesetzten Bauplan für die Vergrößerung des Dorfes an. Nur wurde jetzt für die Hauptstraße eine Breite von 50 Fuß, (statt 40 Fuß) und eine ganz neue Straße, die heutige Kronenstraße, in Vorschlag gebracht. Die Neubauten sind mit ihrer Breitseite unmittelbar an die Straße gerückt. Sie sind von viereckigen Höfen umgeben, so daß Licht und Luft überall Zuritt haben und daß die Feuerwehr bei einem Brandfall gut beikommen kann. Die Hauswände sind im Gegensatz zu den alten Bauernhäuser ungegliedert. Außerdem sind keine Dunglagen mehr an der Straße. Alles ist sauber, geradlinig, nach einer Regel gebaut. Die alte Zehntscheuer des Spitals wird nicht wieder aufgebaut, da sie entbehrlich ist. Ebensowenig wird das alte Schafhaus wieder aufgebaut. Die Gemeinde kauft das Wohnhaus des Heinrich Reich an der Straße nach Rutesheim, am Ende des Dorfes gelegen, als künftige Schäferwohnung und beschließt, an dieses Haus die Schafstallungen mit Scheune anzubauen. Viel Bauplatz kommt jedoch durch die Verbreiterung der Hauptstraße und durch die neue Kronenstraße in Wegfall. Die Abgebrannten, denen ihre alten Bauplätze nicht mehr zugeteilt werden können, müssen außerhalb des Dorfes bauen. Zu den abgebrannten Häusern gehört auch der alte "Hirsch". Er stand da, wo jetzt das Anwesen des Friedrich Linkh (jetzt Gustav Linkh) in der Leonberger Straße 3 liegt.
Die Brandursache konnte jedoch nicht geklärt werden. Auch die angestellte amtliche Untersuchung blieb ohne Ergebnis. Man wußte nur so viel, daß Ulrich Essig, der die Scheuer des Schultheißen Gasteyger als Mitbewohner von dessen Haus in Benutzung hatte, ganz kurz vor Ausbruch des Feuers mit seinem Pferde heimgekommen war und daher bei Licht (offenem Licht) im Stall hantiert hatte. Alles andere blieb in Dunkel gehüllt.
Manfred Eisenhardt (Auszug aus der Chronik der FFW Renningen)